Streikrecht verteidigen und ausweiten II

Linksjugend solid Berlin strebt eine Stärkung der Positionierung des Bundesverbandes
 Linksjugend solid für ein umfassendes Streikrecht an. Hierzu bestärkt die
 Landesvollversammlung ihre Beschlüsse „Streiks wie in Frankreich? Ja bitte! –
 Streikrecht verteidigen und ausweiten“[1] und „Solidarität mit allen Streikenden“[2]
 (XXXIII. LVV) und stellt den nachfolgenden Antrag an den Bundeskongress.

 Der Bundeskongress möge beschließen:

 Streikrecht verteidigen und ausweiten

 Erst kürzlich war der Aufschrei unter Arbeitgeber*innen wieder groß: Da haben sich
 die Beschäftigten an Flughäfen doch tatsächlich erlaubt, von ihrem durch die
 Verfassung garantierten Recht auf Streik Gebrauch zu machen, um die von ihnen durch
 die Inflation erlittenen Reallohnverluste auszugleichen. Schlimm! Natürlich hatten
 die Arbeitgeberverbände dafür direkt eine Lösung parat: Warum nicht das Streikrecht
 einschränken?[3]

 Dabei hat die Bundesrepublik Deutschland im europäischen Vergleich bereits jetzt
 eines der rückständigsten Streikrechte. Zwar wird verfassungsrechtlich durch Art. 9
 III GG ein verbandsgebundenes Streikrecht in Arbeitskämpfen garantiert. Dieses
 Streikrecht wird in langer Tradition durch die Rechtsprechung eingeschränkt. Eine
 besondere Rolle spielt dabei der erste Präsident des Bundesarbeitsgerichts (BAG), der
 die Streik-Rechtsprechung bis heute prägt: Hans Carl Nipperdey, der 1934 das Gesetz
 zur Ordnung der nationalen Arbeit
entwarf, mit dem im Sinne einer
 „Volksgemeinschaft“-ähnlichen „Betriebsgemeinschaft“ das Führerprinzip in Betrieben
 eingeführt wurde. Nach Gründung der BRD in Amt und Würde verholfen wandte Nipperdey
 seine nationalsozialistischen Überzeugungen weiter an. Unter anderem schuf er
 richterrechtlich einen Schadensersatzanspruch bestreikter Unternehmen, der noch heute
 dazu führt, dass sich Gewerkschaften, bevor sie von ihrem in der Verfassung
 verankerten Recht auf Streik Gebrauch machen, erst Gedanken darüber machen müssen, ob
 nicht ein entferntes, möglicherweise mittelbar von den Streikauswirkungen betroffenes
 Unternehmen anschließend Schadensersatzforderungen gegen die Gewerkschaft erhebt.

 Die in Deutschland geltenden Einschränkungen des Streikrechts verstoßen dabei sogar
 gegen internationales Recht: Art. 6 Nr. 4 der Europäischen Sozialcharta gewährleistet
 das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen
 einschließlich des Streikrechts
. Eine Beschränkung des Rechts auf Verbände
 (Gewerkschaften) ist dabei nicht vorgesehen; indem die BRD „wilde“ Streiks verbietet,
 verstößt sie gegen die Europäische Sozialcharta.

 Linksjugend solid Berlin steht für ein umfassendes Streikrecht ohne Einschränkungen.
 Wir kämpfen für ein Streikrecht, mit dem sich das Kapital und dieser Staat in die
 Knie zwingen lässt. Im Einzelnen fordern wir:

 Weiter bestärkt der Bundeskongress die Forderung von Linksjugend solid nach der
 Abschaffung kirchenarbeitsrechtlicher Einschränkungen des Streikrechts.[4]

 Die Forderungen nach der Ausweitung des Streikrechts müssen parlamentsgesetzlich
 umgesetzt werden. Werden sie das nicht, so dürfen sich die Gewerkschaften davon nicht
 beirren lassen: Bleiben die Arbeiter*innen im Rahmen eines Generalstreiks überall
 ihrem Arbeitsplatz fern, so können sie selbst Panzer nicht an ihren Arbeitsplatz
 zurückzwingen. Das Streikrecht ist – auch durch Streik – politisch erkämpft worden;
 genauso muss auch seine Ausweitung erkämpft werden.

 Linksjugend solid ist darüber hinaus selbstverständlich solidarisch mit den
 Streikenden im öffentlichen Dienst in Deutschland sowie mit den Streikenden in
 Frankreich.

Literatur/Weblinks:

 Kampagne für ein umfassendes Streikrecht: Über uns, online:
 https://rechtaufstreik.noblogs.org/ueber-uns/ (abgerufen

  

 [1] Landessprecher*innenrat Linksjugend solid Berlin (Hrsg.), Beschlüsse der
 Landesvollversammlung Linksjugend solid Berlin, 3. Aufl. April 2023, online unter
 https://www.be.linksjugend-solid.de/wp-content/uploads/2023/04/ljs-berlin-
 beschlusssammlung-aufl3.pdf
(abgerufen am 2.9.2023), S. 195 – 197.

 [2] A. a. O., S. 197 f.

 [3] Arbeitgeber wollen Streikrecht begrenzen, Tagesschau.de v. 22.2.2023, online:
 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/streiks-arbeitegber-verdi-
 tarifverhandlungen-101.html
(abgerufen am 20.3.2023).

 [4] „Liberté, Egalité, Laïcité“, Beschluss des IX. Bundeskongresses v. 8.–10.4.2016,
 online unter https://www.linksjugend-solid.de/beschluss/liberte-egalite-laicite/
 (abgerufen am 2.9.2023); „Der katholischen Kirche den feministischen und
 laizistischen Kampf ansagen!“, Beschluss des X. Bundeskongresses v. 21.–23.4.2017,
 online unter
 https://www.linksjugend-solid.de/beschluss/der-katholischen-kirche-den-
 feministischen-und-laizistischen-kampf-ansagen/
(abgerufen am 2.9.2023).