Statement zum BSW

Das Parteiprojekt „Bündnis Sahra Wagenknecht“ hat in den letzten Monaten (noch ohne Namen) viel Aufmerksamkeit erregt und eine kontroverse Debatte innerhalb der linken politischen Szene ausgelöst. In dieser Analyse und Stellungnahme wollen wir uns kritisch mit einigen zentralen Aspekten des Projekts auseinandersetzen, insbesondere in Bezug auf ihre Kritik an linker Migrationspolitik.

Sahra Wagenknecht & Co haben den linken Wirtschaftsdiskurs schon längst verlassen. Erfolgreich können sie dies mit einem vermeintlichen „Kulturkampf“ verstecken. Öffentlich wird zu viel „Wokeness“, „Gender-Kram“ und Ähnliches kritisiert. Die Partei Die Linke würde sich, so die Kritik, zu wenig um die „einfachen Arbeiter*innen“ und ihre Interessen kümmern. Stattdessen fokussiere sie einen politischen Kampf um Identitätspolitik. Dabei gibt es auch von uns die Beobachtung, dass es innerhalb der Linken sicherlich Menschen gibt, die den Blick für die ökumenischen Verhältnisse und der Eigentumsfrage verloren haben und stattdessen mehr Wert auf Identitätspolitik legen. Eine materialistische/sozialistische Kritik an der Identitätspolitik ist möglich, wie Eleonora Roldan Mendivil/Bafta Sarbo in ihrem Buch „Die Diversität der Ausbeutung“ gezeigt haben.

Vonseiten des „Wagenknecht-Lagers“ gibt es allerdings keine materialistische Kritik an der „Lifestyle-Linken“. Im Gegenteil, das allgegenwärtige Mantra lautet „Wenn Sahra erstmal Kanzlerin ist, geht’s uns allen besser“. Das verkennt allerdings die Eigendynamik des bürgerlichen Parlamentarismus. So einfach ist es leider nicht. Unserer Auffassung nach müssen wir das gegenwärtige System überwinden. Den Arbeiter*innen wird es mit BSW an der Spitze der Regierung nicht wesentlich anders gehen. Im Kern dreht sich der Konflikt, um die Frage: „Wie kann eine Linke gut regieren?“, nicht um die Frage „Sollte eine sozialistische Partei aktuell überhaupt regieren?“.

Wagenknecht punktet nicht zufällig in einem AfD-Wähler*innenspektrum. Dies deutet darauf hin, dass beide ähnliche Hütchenspieler-Populismus-Tricks nutzen. Eine Strategie, die Die Linke & wir als Jugendverband nicht mittragen. Populismus verarscht die Wähler*innen. Das finden wir respektlos und ist nicht unser Stil von Politik.

Es dreht sich also mitnichten, um die Frage, ob Die Linke ihren Klassenstandpunkt verloren hat. Wir drehen den Gedanken um, welchen Klassenstandpunkt hat Sahra Wagenknecht eigentlich? Denn, wenn wir uns ihre wirtschaftlichen Forderungen anschauen, liest sich das wie eine Verteidigung der Sozialen Marktwirtschaft und legitimiert damit den Liberalismus.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Kritik betrifft die dualistische Sichtweise auf Migrant*innen und „Einheimische“. Hierbei geht es darum, dass Migrant*innen oft als Belastung und „Einheimische“ als Beitragende zum Sozialsystem dargestellt werden. Dies führt zu einer Vereinfachung komplexer sozioökonomischer Probleme und Schuldzuweisungen an migrantisierte Menschen. Flucht in eine romantisierte, genormte „Heimat“, welche diese sozioökonomischen Probleme wegdenkt, gibt es im Kapitalismus nicht. Burnout, Überstunden und wirtschaftliche Instabilität sind Probleme, die nicht einfach durch einen nationalistischen Blick gelöst werden können.

Wie wollen wir die Politik verändern? Revolutionärer Kampf um Mehrheiten

Zum Schluss lässt sich noch anmerken, dass Revolutionen immer damit beginnen, dass Minderheiten die gesellschaftlich vorherrschende Mehrheitsmeinung angreifen und überwinden wollen. So begann historisch jede Revolution uns so wird auch in Zukunft jede Revolution und gesellschaftliche Verbesserung beginnen. Dass Die Linke also die Mehrheit nicht mehr vertreten würde, ist ein klassisches Null-Argument. Wo ist der Diss? Natürlich sind die Interessen der arbeitenden und auszubildenden Menschen formal die Interessen der Mehrheit. Doch sind sich diese ihrer Position innerhalb der Klassen oder der Gesellschaft oft nicht bewusst und vertreten daher die Meinung von wenigen Reichen (dazu: Gramsci und Hegemonie)[1]. Die Meinungshegemonie müssen wir brechen und den Arbeiter*innen, Schüler*innen, Auszubildenen und Co. ihre gesellschaftliche Stellung, die kapitalistischen Widersprüche und die damit verbundenen eigentlichen Interessen aufzeigen.

Wagenknechts Position insgesamt ist eine idealistische Vorstellung, die das Wohl einer Nation und das Wohl ihrer Bürger*innen als untrennbar miteinander verknüpft ansieht. Hiergegen argumentieren wir, dass der globale Kapitalismus Arbeit und Kapital über nationale Grenzen hinweg verbindet und teilt. Eine konsequent internationale Sichtweise auf linke Politik basiert auf globaler Solidarität und dem Kampf gegen das Kapital, ohne sich auf nationale Identitäten zu stützen. Diese Sichtweise ist im Sinne von Marx, Luxemburg und Zetkin, die die Bedeutung internationaler Solidarität betonten.

Dass bedeutet, die meisten Arbeiter*innen vertreten aktuell die Meinung einer kleinen Minderheit, der meist Weißen kriminellen Familienbanden (die Albrechts, Dieter Schwarz, Klatten & Quandt und wie sie alle heißen). Das sind unsere politischen Gegner; keine Migrant*innen und auch keine queeren Menschen.

Eine Verteidigung der „ehrlichen Arbeit“, wie sie von Vertreter*innen des BSW-Lagers vorgenommen wird, lehnen wir ab. Oftmals werden „gierige Kapitalist*innen“ als Abweichler*innen vom „echten Unternehmertum“, der zu laut BSW zu fördern sei, dargestellt. Diese Vereinfachung der Unternehmerrolle im Kapitalismus ist problematisch.

Kapitalismus selbst ist das grundlegende Problem, und es ist wichtig, die komplexen Dynamiken des Systems zu verstehen und nicht nur einzelne Akteure zu verurteilen. Im Grund genommen, werden wir alle in diesem System ausgebeutet, ob wir ehrlich arbeiten oder nicht, egal ob Wagenknecht Kanzlerin ist oder Merkel.

Weiterhin werden migrantisierte und queere Menschen tendenziell auf dem Arbeitsmarkt noch mehr ausgebeutet als privilegierte Weiße Arbeiter(*innen[2]).

Hier anzusetzen, verrät nicht das eigene Volk, sondern ist genau das, was Wagenknecht & Andere eigentlich fordern: Politik für die Arbeiter*innen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kritik an linker Migrationspolitik im Rahmen des Parteiprojekts „Bündnis Sahra Wagenknecht“ einige wichtige Fragen aufwirft. Es ist entscheidend, eine internationalistische Perspektive beizubehalten, die auf globaler Solidarität basiert und den Kampf gegen das Kapital in den Vordergrund stellt. Die Dualität von Migrant*innen und „Einheimischen“ sollte vermieden werden, und komplexe sozioökonomische Probleme sollten nicht auf „Ausländer*innen“ abgewälzt werden.

Stattdessen sollte linke Politik die strukturellen Probleme des Kapitalismus in den Fokus rücken und konstruktive Debatten und Dissens innerhalb der Bewegung zulassen. Eine umfassende Analyse der Rolle von Arbeit und Kapital im Kontext von Migration ist notwendig, um Lösungen zu finden, die sowohl Migrant*innen als auch „einheimische“ Arbeiter*innen, also die gesamte Klasse der Unterdrückten, berücksichtigen. Insgesamt erfordert die Diskussion um linke Migrationspolitik eine differenzierte und kritische Betrachtung, die über vereinfachende Narrative hinausgeht. Dies tut als einzige Partei Die Linke. Dabei unterstützen wir & kritisieren, wo es nötig ist.

 


[1] https://www.diss-duisburg.de/2013/07/hegemonie-neoliberale-hegemonie-hegemoniekrise/

[2] Stichwortartig zu benennen sind die Begriffe „Überausbeutung“ und unbezahlte Care-Arbeit)