Fight the cistem – Feminismus zur Praxis machen

Beschluss der 31. Landesvollversammlung am 10. April 2022

Die LVV hat beschlossen:
 
  1.  Bis Juni eine Kampagne zum Thema Feminismus zu organisieren. Die Kampagne soll sowohl intern, als auch extern ausgerichtet sein.
  1.  Der interne Teil soll darauf abzielen, feministische Praxis im Jugendverband zu etablieren und die Räume der linksjugend Berlin sicherer für FLINTA*-Menschen(1) zu gestalten. Teil der internen Kampagne sollen Workshops und andere Bildungsangebote sein, die sich auch mit der Sensibilisierung für (eigene) toxische Männlichkeit, Misogynie und Queerfeindlichkeit beschäftigen und eng mit dem Awareness-Konzept in Verbindung stehen. Zusätzlich soll den Teilnehmern theoretisches Wissen über Feminismus an die Hand gegeben werden, sowie
     erarbeitet werden, wie sie feministische Kämpfe bzw die Genoss*innen die sie führen, unterstützen können.
  1.  Teil der Kampagne ist die Organisation zweier Bildungstage:
    1.  Der „Vatertag“ (26.05.2022) wird häufig dafür genutzt, dass Väter ihre eigene Nicht-Beteiligung an Reproduktionsarbeit(2) exzessiv zur Schau stellen. Die linksjugend Berlin bietet als Alternativbeschäftigung einen Bildungstag zu kritischer Männlichkeit(3) an. Dieser soll neben Selbstreflexion vor allem dazu dienen Strategien zu erarbeiten, wie die Teilnehmer von Sexismus betroffene Genoss*innen unterstützen können. Zudem soll ein großer Teil des Workshops darin bestehen, sich über aktuelle feministische Kämpfe zu informieren und da in die inhaltliche Betrachtung zu gehen.
    1.  Der Juni ist Pride-Month. Während es für viele LGBTQ*-Menschen(4) üblich ist, sich mit der Geschichte der queeren Bewegung, aktuellen Diskriminierungen und Queerfeminismus zu beschäftigen, gilt das für die heterosexuellen, cisgeschlechtlichen Genoss*innen(5) häufig nicht. Neben der Teilnahme an Demonstrationen soll der Pride-Month deshalb dieses Jahr auch explizit als Bildungsauftrag genutzt werden und es soll ein Bildungstag zum Thema Queerfeindlichkeit (sowohl eigener als auch in rechtem Anti-Genderismus etc.) stattfinden.
  1.  Der externe Teil soll darauf abzielen, unsere feministischen Positionen nach außen hin stärker darzustellen. Dabei sollen vor allem zwei Punkte inhaltlich hervorgehoben werden:
    1.  Die Unterschiede eines materialistischen und proletarischen Feminismus von oberflächlichem liberalen Feminismus müssen klargemacht werden. Genauso grenzen wir uns klar von Stimmen ab, die sagen Feminismus sei unwichtig, weil das Patriarchat nur durch den Kapitalismus entstanden sei. Die Aussage, dass es vor dem Kapitalismus kein Patriarchat gegeben hätte, lehnen wir ebenfalls entschieden ab. Wir stellen uns folgende Fragen: Warum wird es, solange wir in einem kapitalistischen System leben, immer Benachteiligung von FLINTA*-Menschen geben? Und warum ist gleichzeitig mit der Abschaffung des Kapitalismus noch nicht automatisch das Patriarchat beseitigt? Wie bedingen sich Patriarchat und Kapitalismus gegenseitig, und warum müssen beide zerstört werden?
    1.  ein linker, materialistischer Feminismus. Welche Rolle spielen Heteronormativität und eine Personen explizit beleuchtet. Welche Rolle   spielen Heteronormativität und eine „natürliche“ Zwei-Geschlechter-Ordnung   im Kapitalismus? Wie schadet die Organisation der Reproduktion (z.B. Sorge für Haushalt und Kinder, Berufstätigkeit) in der bürgerlichen Kleinfamilie queeren Menschen? Welche Interessen hat der kapitalistisch-bürgerliche Staat daran, die bestehenden dominanten Familienstrukturen aufrecht zu erhalten, und wie können wir dies kritisieren und angreifen?
  1.  Die externe Kampagne soll dabei verstärkt auf den auf der letzten LVV beschlossenen Antrag zur Verständlichkeit unserer Beiträge achten. Wenn bestimmte Begriffe verwendet werden, um etwas besser zu beschreiben oder weniger diskriminierend zu sprechen, dann sollen diese erklärt werden.
 
 
Die Fußnoten dienen nur der Begriffsklärung und sind nicht Teil des eigentlichen Antrags. Es ist klar, dass die Definitionen nicht vollständig sind; sie sollen lediglich einen Anhaltspunkt für Leute bieten, denen die entsprechenden Begriffe nicht bekannt sind.
 
(1) FLINTA* steht als Abkürzung für Frauen, Lesben und inter, nicht-binäre, trans* und agender Personen. Damit wird versucht, möglichst viele der Personengruppen zu nennen, die vom Patriarchat (also der Ordnung der männlichen Vorherrschaft + Überlegenheit) stark betroffen sind. Dadurch, dass nicht nur „Frauen“ geschrieben wird, wird berücksichtigt, dass es zum einen neben Männern und Frauen auch weitere Geschlechter gibt, und zum anderen viele Gruppen mehrfach vom Patriarchat betroffen sind – Lesben etwa durch ihre geschlechtliche und sexuelle Identität oder inter Personen durch die biologistische Zwei-Geschlechter-Ordnung.
(2) Reproduktionsarbeit ist der „Fachbegriff“ für Tätigkeiten im Haushalt (-> Hausarbeit), in der Pflege oder in sozialen Bereichen, also alle Tätigkeiten, die fürs Überleben sorgen und dafür, dass es überhaupt Arbeitskräfte für das kapitalistische System gibt. Viele dieser Tätigkeiten werden nicht oder nur sehr gering bezahlt und deshalb häufig auch nicht als Arbeit angesehen. Der Begriff Reproduktionsarbeit weist darauf hin, dass auch diese Tätigkeiten Arbeit sind und besser bezahlt werden sollten. Reproduktionsarbeit wird vor allem von Frauen geleistet. Das ist die Grundlage für einen „materialistischen Feminismus“, der kritisiert, dass der Kapitalismus nur deshalb „funktioniert“, weil es eine geschlechtliche Arbeitsteilung in Arbeit und unbezahlte Reproduktionsarbeit gibt.
(3) Männlichkeit ist im Patriarchat mit bestimmten Eigenschaften und Verhaltensweisen verknüpft, die häufig auch als toxisch bezeichnet werden, weil sie sowohl den Männern, als auch allen anderen schaden. Wenn ein Mann etwa, um als männlich zu gelten, besonders dominant auftreten muss, also breitbeinig und viel-redend, dann können andere Personen häufig Dinge nicht mehr machen oder wahrnehmen, haben also weniger Raum und können nicht so viel reden. Kritische Männlichkeit ist der Gegenentwurf dazu: Es geht darum, die klassischen Männlichkeits-Ideale zu hinterfragen und vor allem auch sich selbst dabei zu reflektieren – wie verhalte ich mich? Wie schade ich damit anderen Menschen?
(4) LGBTIQ+/LSBTIQ*: LGBTIQ+ bzw. auf deutsch LSBTIQ* ist eine Abkürzung, die für L(esbian) G(ay) B(isexual) T(ransgender) I(ntersex) Q(ueer/Questioning) bzw. auf deutsch L(esbisch) S(chwul) B(isexuell) T(ransgeschlechtlich) I(ntergeschlechtlich) Q(ueer/Questioning) steht. Die Abkürzung ist ein Sammelbegriff für alle, die in ihrer Sexualität und/oder ihrem Geschlecht von der vermeintlich heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Norm abweichen.
(5) cis(-geschlechtlich, -gender): „Cis“ als Vorsilbe bedeutet ungefähr „auf der gleichen Seite“. Wenn damit Menschen beschrieben werden, dann bezieht sich das auf das Geschlecht: Cis Menschen sind Menschen, deren bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht (etwa männlich oder weiblich) mit der eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmt. Ein Beispiel wäre ein Mann, bei dem seit der Geburt „männlich“ in der Geburtsurkunde steht und der sich auch als Mann wahrnimmt. Das Gegenteil von cis ist der Begriff „trans“, der deutlich bekannter ist, und eben ausdrückt, dass die eigene Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Damit Menschen, die nicht trans* sind, nicht als „normal“ bezeichnet werden, sondern es auch dafür einen Begriff gibt, werden sie als cis bezeichnet.