Aufstehen – Spaltung statt Sammlung

Am 4. September wurde die lang und breit angekündigte neue linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“ offiziell gegründet. Schon im Vorfeld konnten sich sogenannte “Unterstützer” mit wenigen Klicks und ohne Verifizierung online für einen Newsletter anmelden, sodass die Bewegung innerhalb weniger Wochen laut eigenen Angaben über 100.000 Mitglieder sammeln konnte. Diese Zahlen sind geschönt, denn auch viele Medienvertreter*innen und Interessierte trugen sich auf der Homepage ein. Wie viele Unterstützer*innen die Bewegung aktuell tatsächlich hat, ist unklar.

Auf der Internetseite von „Aufstehen“ präsentiert die Sammlungsbewegung ihre prominentesten Erstunterzeichner*innen. Menschen aus sozialen Kämpfen wie Pfleger*innen, Mietaktivist*innen, Seebrücken- oder auch Gewerkschaftsaktive finden dort nur selten bis gar nicht Platz. Stattdessen schmücken vor allem Akademiker*innen und Politiker*innen, deren aktive Zeit schon vorbei schien, mit Portraits und ausgewählten Zitaten die Internetpräsenz. In der ersten Reise steht eine noch aktive Politikerin: Sahra Wagenknecht ist das Gesicht der Sammlungsbewegung – gleichzeitig hat sie aber auch das Amt der Fraktionsvorsitzenden von DIE LINKE im Bundestag inne.

Ein offizielles Programm besitzt „Aufstehen“ noch nicht, vielmehr existiert ein Gründungsaufruf, der “die grundsätzliche Gesinnung der Bewegung” zu beschreiben versucht. Hier finden sich Formulierungen wie “Gemeinsam für ein gerechtes und friendliches Land”, die extrem schwammig sind. Auch wenn viele Probleme korrekt benannt werden, fehlen dem Gründungsaufruf konkrete linke Forderungen, wie zum Beispiel eine Steuer für Besserverdienende oder die Abschaffung von Hartz IV. Ferner fehlen klare Stellungnahmen zu Sexismus. Vor allem wird mit keinem Wort der Kapitalismus oder Privateigentum an sich in Frage gestellt, was konsequente linke Politik mittelfristig schon unmöglich macht. Damit steht das bis jetzt öffentliche Programm rechts von der Linkspartei

Am Gründungstag von „Aufstehen“ gaben Wagenknecht und andere Erstinitiatior*innen eine Pressekonferenz, bei der sie ihre Bewegung der Öffentlichkeit vorstellten. Die Vorstellung war mehr eine rot-rot-grüne Werbeveranstaltung als der Aufbruch einer neuen Bewegung. Es wurde vom Ziel einer R2G-Regierung gesprochen und dass die Bewegung dazu da sei, öffentlichen Druck auf die Politik aufzubauen. Es scheint rätselhaft, wie eine Bewegung, die von Poltiker*innen am Schreibtisch entworfen wurde und nicht aus der Gesellschaft erwachsen ist, einen relevanten Einfluss auf die Politik haben soll. Führende Mitglieder von „Aufstehen“ spielen eine relevante Rolle in genau dieser Politik oder waren zumindest lange Zeit ein Teil davon. Wagenknecht & Co haben weder eine demokratische Legitimierung, die durch die Basis bestätigt wurde, noch eine Rechenschaftspflicht der Mitglieder gegenüber. Auf der Internetseite wird davon gesprochen, dass die Ergebnisse von Online-Umfragen als “Marschrichtung” dienen sollen. Aber welche Umfragen am Ende in welchem Umfang berücksichtigt werden, entscheiden am Ende die Erstinitiator*innen. Die Internetumfragen sind also nur eine Beteiligungsmöglichkeit und keine demokratische Entscheidungsstruktur.

Auch wenn die Bewegung als außerparlamentarisch deklariert ist, scheint es so, dass sie trotzdem parlamentarischen Druck für Wagenknechts Positionen innerhalb der DIE LINKE aufbauen soll, was die Partei mehr spalten als sammeln wird.

Doch auch ist DIE LINKE, wie sie jetzt aufgebaut ist, nicht DIE linke Sammlungsbewegung und muss verändert werden. Wir brauchen linke Politik, die nicht von Parteien umgesetzt wird, die sich vollends dem kapitalistischen Markt und der Illusion einer sozialen Marktwirtschaft verschrieben haben. Linke müssen Kämpfe und Bewegung wie z.B. Gewerkschaften, Pflege- und Mieter*innenproteste unterstützen, die realen Druck auf die Politik ausüben können. Wir sollten nicht auf SPD und Grüne orientieren, die durch eine jahrelange soziale Kürzungspolitik erst die Grundlage für die soziale Misere und den Aufstieg der AfD bereitet haben.  Stattdessen sollten wir uns von dem herrschenden System und dessen Parteien abgrenzen, um eine unabhängige und starke Linkspartei und linksjugend aufzubauen, die durch Kampagnen und Angebote Menschen in demokratische Strukturen integriert. Gewählte Funktionär*innen müssen der Partei rechenschaftspflichtig und abwählbar sein und einen durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn bekommen. DIE LINKE ist bei weitem noch nicht aktiv genug in Kämpfen von Arbeiter*innen, sondern beschränkt sich oft auf parlamentarische Fragen oder das mündliche “Unterstützen” von Bewegung. Sie muss aber ein lebendiger Teil von Bewegungen sein, der Parteistrukturen und Ressourcen nutzt, um diese Kämpfe voranzutreiben.

Außerdem brauchen wir einen konsequenten Kampf gegen rechts, der Antworten auf die real existierenden Probleme gibt, d.h. weder wie Wagenknecht Rassismus zu ignorieren und nur über Soziales zu reden, aber auch nicht, wie andere die soziale Frage auszuklammern, um die Unterstützung von SPD und Grünen zu gewinnen, um bei moralischen Apellen stehen zu bleiben.

Wir müssen innterparteiliche Debatten führen, dürfen uns dabei jedoch nicht verlieren, sondern müssen nach außen gehen und DIE LINKE und die linksjugend weiter ausbauen. Wir stehen der Sammlungsbewegung aus gennanten Punkten kritisch gegenüber, bieten aber all ihren Unterstützer*innen, die ernsthaft die Gesellschaft zu verändern wollen an, mit uns gemeinsamen in Bewegungen auf der Straße zu kämpfen.