Bahnt sich eine Sensation in der Drogenpolitik an? Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat die Zulassung eines Coffee-Shops zum legalen Verkauf von Marijuana beschlossen, nachdem die CDU die Tagung verlassen hatte. Zwar muss das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte noch sein Okay geben, was ungewiss ist, und auch der Senat arbeitet gegen das Projekt, aber der politische Wille ist augenscheinlich da.
Aber wer sich nun freut, dass die verheerernden Folgen staatlicher Bevormundungspolitik über den Konsum von Rauschmitteln augenscheinlich zu einem Umdenken geführt hat, täuscht sich. Die Motivation hinter diesem Schritt zur Legalisierung von Cannabis ist es nicht, der Zerstörung von Existenzen durch Gefängnisstrafen für Drogendelikte Einhalt zu gebieten oder Konsument*innen günstig qualititativ hochwertige und weitestgehende sichere Drogen zu gewährleisten, um etwa Vergiftungen durch Streckmittel zu verhindern.
Die offizielle Begrüdung mutet regelrecht schildbürgerhaft an: Durch den legalen Verkauf von Gras soll das Dealen von Drogen im Görlitzer Park bekämpft werden. Wenn aber der Verkauf von Drogen ein solches Problem darstellt, wie begegnet man diesem dann mit dem Verkauf von Drogen?
Es ist relativ offensichtlich, dass es nicht darum geht, ob Drogen verkauft werden, sondern von wem. Seit Monaten schon ist der Görlitzer Park Ziel einer rassistisch aufgeladenen öffentlichen Debatte um vermeintlich aufdringliche schwarze Dealer. Die Coffee-Shop-Lösung ist das direkte Resultat dieser Debatte.
Die Quintessenz lautet also: Ein von Deutschen (oder mindestens mit Arbeitserlaubnis ausgestatteten) Angestellten betriebenes staatlich anerkanntes Geschäft ist okay, während illegalisierte Schwarze*, die im Park herumstehen um genau dieselbe Ware zu verkaufen dagegen eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellen.
Mit 113 Razzien, 310 Ermittlungsverfahren und 7749 Einsatzstunden in 270 Tagen bemüht sich die Polizei nach Kräften darum den Dealer*innen im Park das Leben so schwer wie möglich zu machen. Gedealt wird weiterhin, nicht aus Risikofreude oder krimineller Energie, sondern weil viele der Dealer*innen von dem Verkauf der Drogen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
Dass Dealer*innen überhaupt darauf angewiesen sind, Besucher*innen des Parks anzuquatschen (also gemäß der öffentlichen Debatte „zu belästigen“), um ihre im Busch versteckte Ware zu verkaufen, anstatt die Drogen einfach gemütlich in einem Bauchladen oder auf einem Tisch anzubieten, ist die direkte Folge der Illegalisierung und des Enthusiasmus der Ermittlungsbehörden. Anstatt aber der Verhaftungswütigkeit der Polizei Einhalt zu gebieten, wird – absehbar aussichtsloserweise – versucht das Drogengeschäft den Menschen, die darauf angewiesen sind, aus den Händen zu reissen.
Die Legalisierung von Cannabis ist ein sinnvolles Anliegen, mit dem viel menschliches Leid verhindert wird. Die Drogen würden deutlich billiger und qualitativ wesentlich hochwertiger werden. Es würden nicht mehr hunderttausende Menschen für banale Gesetzesverstöße eingesperrt werden und das riesige Geschäftsfeld würde aus der Illegalität befreit werden, womit der zwangsläufig mit Illegalität verknüpften Gewalt, Ausbeutung und den mafiösen Strukturen der Boden entzogen wird.
Der Coffee-Shop legalisiert aber nicht den Handel mit Marijuana. Die Razzien, Verhaftungen und rassistischen Kontrollen im Görlitzer Park werden nicht aufhören. Der Coffee-Shop stellt den bösen illegalen Dealer*innen nur den guten legalen Geschäftsbetrieb mit Rausschmitteln gegenüber, der den Dealer*innen jedoch institutionell und strukturell verschlossen bleibt.
Nichts desto trotz kann die Einrichtung eines legalen Coffee-Shops die Debatte um die Legalisierung von Rauschmitteln voranbringen und stellt damit im Gesamtkontext der Legalisierungsdebatte eine interessante Entwicklung dar und ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Es ist nicht der Vorstoß als solcher, sondern die Umstände und die Motivation aus der heraus er enstanden ist, die mehr als fragwürdig sind.
*Natürlich sind nicht alle Dealer*innen im Görlitzer Park schwarz. Es ist vielmehr die rassistische Debatte, die diesen Eindruck erzeugt und ein entsprechendes Feindbild erzeugt.