Wo wir stehen

Zeiten der Polarisierung

Das neue Jahr hat begonnen und bereits jetzt lässt sich sagen, dass es nicht weniger Herausforderungen schafft als das Letzte. Wir leben in Zeiten des Umbruchs, in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung und in Zeiten der politischen Neuordnung. Sowohl international, als auch in Deutschland erleben wir ein Erstarken des rechten Blocks. Ob Trump in der USA oder die AfD in Deutschland – autoritäre Politik ist wieder populär und erzielt Erfolge im ganz großen Maßstab. Während die Rechten in die Parlamente einziehen, sieht auch der neoliberal-konservative Block, wie sich Risse im sicher geglaubten gesellschaftlichen Konsens auftun. Kräfteverhältnisse werden neu ausgefochten und so scheint die Auseinandersetzung der Zeit Merkel vs. AfD zu sein. Doch trotz einer gewissen Marginalisierung in der medialen Öffentlichkeit gewinnt auch ein drittes Lager an Zuspruch und Relevanz. Ein Pol der Solidarität und emanzipatorischen Alternativen, der verschiedenste fortschrittliche Kräfte umfasst, allerdings stellenweise noch Schwierigkeiten hat, seine Stimme zu erheben. Bestes Beispiel dafür sind die Millionen von Menschen, die im letzten Jahr ehrenamtlich Geflüchtete unterstützt haben und die Unzähligen, die sich im Zuge der aktuellen Außeinandersetzungen für eine linke Politik stark machen.

Auch wir bei linksjugend [’solid] erleben, wie sich an den Konflikten der Zeit eine ganze Generation politisiert. Eine Generation, die die Aussagen eines Höckes nicht unwidersprochen lassen möchte und sich von unserem Jugendverband ein Sprachrohr verspricht. Im Jahr 2016 sind 60 Menschen Mitglied unseres Landesverbandes geworden, circa doppelt so viele wie im Vorjahr. Die neugegründeten Basisgruppen, die gut besuchten Veranstaltungen auf Landesebene und die zahlreichen Aktionen im letzten halben Jahr sind Ausdruck dieser Entwicklung.

Einbindung neuer Mitglieder

Als bundesweite, offene Struktur bieten wir im Gegensatz zu vielen anderen Gruppierungen den Anlaufpunkt für junge Menschen ohne politische Organisationserfahrungen. Die Einbindung dieser Menschen in unsere Strukturen muss Priorität haben und fester Bestandteil unserer alltäglichen Praxis sein. Bereits Anfang dieses Jahres haben wir verbunden mit dem Neujahrsempfang ein Neumitgliedertreffen durchgeführt, bei dem wir unsere Ideen, unsere Strukturen und unsere Ziele vorgestellt haben. Solchen Treffen wollen wir Kontinuität verleihen und auch darüber hinaus dem Generationenwechsel im laufenden Jahr den Raum geben, den er braucht. Ein breites politisches Bewusstsein zu schaffen ist eine der Kernaufgaben unseres Jugendverbandes. Veranstaltungen wie die Landesvollversammlung oder das anstehende Pfingstcamp sind unserer Meinung nach die richtigen Anlässe, um Menschen zu ermöglichen, in linkspolitische Diskurse und Auseinandersetzungen einzusteigen.

Anstehende Herausforderungen

Regierungsjugend wider willen

Eine der Auseinandersetzungen, die uns durch das vergangene Jahr begleitet haben, war die Frage von rot-rot-grün. Bei den letzten beiden Landesvollversammlungen haben wir uns klar gegen eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen und deutlich gemacht, dass wir bezweifeln, dass ein Kurswechsel in den zentralen Fragen der Berliner Landespolitik mit der seit Jahrzenten regierenden SPD und den neoliberalen Grünen möglich ist. In der LINKEN wurde die Frage auch kontrovers diskutiert, eine kritische Haltung konnte sich jedoch nicht durchsetzen. So kam es, dass am 7. Dezember 89,3 % der Parteimitglieder für eine rot-rot-grüne Koalition gestimmt und uns damit zur Regierungsjugend wider Willen gekrönt haben.

Trotz der Überzeugung, dass ein Jugendverband mehr ist, als das Korrektiv der Mutterpartei, wird es in den nächsten Jahren eine unserer zentralen Aufgaben sein, diese Regierung kritisch zu begleiten und wenn nötig im Rahmen unserer Möglichkeiten Druck zu machen. Nicht zuletzt die Causa Andrej Holm zeigt, wie mit dem Wunsch nach radikaler Veränderung und einem wirklichen Politikwechsel innerhalb der drei Parteien umgegangen wird.

Wahljahr 2017 – Was können wir tun?

Eine weitere Schnittstelle, die es dieses Jahr zur Partei geben wird, ist der anstehende Bundestagswahlkampf. Bis September wird es eine gesteigerte mediale Öffentlichkeit und ein

erhöhtes gesellschaftliches Interesse für Politik geben. Dies wollen wir dafür nutzen, junge Menschen auf unsere Inhalte aufmerksam zu machen und sie dafür zu begeistern, bei uns aktiv zu werden. Auf Bundesebene wird bereits eine Jugendwahlkampfkampagne geplant und auf Berliner Landesebene wird es wieder Möglichkeit geben, sich bei konkreten Aktionen einzubringen und mitzubestimmen.

Neben einer prominenten Platzierung unserer eigenen Inhalte wird es außerdem darum gehen, anderen politischen Akteuren den Wahlkampf zu vermiesen. Denn auch Parteien wie die AfD und andere Rechtspopulist*innen werden die nächsten Monate nutzen, um ihre rassistische, sexistische, homofeindliche und chauvinistische Hetze zu verbreiten. Das wollen wir verhindern, was für uns konkret bedeutet, massenhaft aufzuklären, den Wahlkampf vorbereitet und organisiert zu stören und Wahlkampfmaterial zu beschlagnahmen.

Antifaschismus muss praktisch sein

Die letzten Gegenprotste gegen die neonazistische „Merkel muss weg“-Demo haben gezeigt, dass mehr Koordinierung, Mobilisierung und Organisierung notwendig sind. Laut Polizei konnten die Neonazis „fast störungsfrei“ laufen und der antifaschistische Protest konnte gerade einmal 1000 Laute auf die Straße bewegen.[1] Blamabel für Berlins linke Szene, wo es lange Zeit hieß, dass kein Naziaufmarsch ungestört laufen könne. Wir als Jugendverband können hier Verantwortung übernehmen: sich an Bündnissen wie dem „Berliner Bündnis gegen rechts“ beteiligen, uns selber durch Aktionstrainings wichtige Fähigkeiten aneignen und uns bei Aktionen des zivilen Ungehorsam einbringen und unter uns absprechen. Wir dürfen auch die Randbezirke nicht außer Acht lassen. Wenn schon kaum von Kreuzberg nach Mitte mobilisiert werden kann, wie schwierig gestalten sich dann antifaschistische Aktionen in den Randbezirken, beispielsweise am 01.04. in Weissensee?[2] Nehmen wir es selber in die Hand! Berlin darf kein fester Platz für Faschisten und Rassisten werden!

Entern wir die G20

Die Gegenproteste zu dem Treffen der G20-Staaten am 7./8. Juli in Hamburg in diesem Jahr werden der zentrale Platz für die Kritik am Krisenkapitalismus, den negativen Folgen der Globalisierung und der ökologische Zerstörung der Erde sein.

In Zeiten des autoritären Neoliberalismus und des nationalistischen Backlashs treffen sich die Staatschefs der Industriestaaten und einiger Schwellenländer unter dem Namen G20. Die Liste liest sich wie die Internationale der Reaktionären mit Trump, Erdogan und Putin allen voran, inszeniert im netten Gespräch mit der Kanzlerin der Alternativlosigkeit. Eine Legitimität ihres Vertretungsanspruchs besteht nicht. Sie vertreten 10% der Vereinten Nationen, ihre Beschlüsse betreffen allerdings ungefragt uns Alle. Den G20 Staaten geht es nicht um die Lösung der globalen Probleme, sondern einer Aufrechterhaltung des bestehenden kapitalistischen Systems mit den immer gleichen untauglichen alten Rezepten, wie grenzenloses Wirtschaftswachstum ohne Berücksichtigung ökologischer Folgen, unfairer Freihandel oder die Schaffung privater Investitionsmöglichkeiten mit einhergehenden Sozialabbau. Neoliberale Ideenlosigkeit at its best!

Setzen wir dem unseren Protest entgegen! Dass sich die Herrschenden ausgerechnet in Hamburg treffen, scheint aus ihrer Sicherheit, fest im Sattel zu sitzen, hervorgegangen zu sein. Hamburg ist gleichzeitig das Symbol für den globalisierten Kapitalismus. Der Hafen mit der just-in-time Abfertigung gigantischer Containerschiffe ist unerlässlich für Produktionsketten und das Funktionieren des Kapitalismus. Ein Vorschlag zu Güte: neben den klassischen Aktionen einer Blockade des Gipfels, kann für uns auch eben diese Logistik des Kapitalismus[3] auch ein lohnendes Ziel sein.

Wir werden dem Aufruf gegen die G20 mit zehntausenden Aktivist*innen aus ganz Europa und darüber hinaus folgen und unseren Protest artikulieren. Die Aufgaben unseres Jugendverbandes sehen wir vor allem in der Vorbereitung der Aktionen des zivilen Ungehorsams, der Unterstützung der Camp Strukturen und in einer breiten Mobilisierung für das Juliwochenende aus Berlin.

Vision einer anderen Gesellschaft

Die kommenden Herausforderungen sind groß und wir wissen, dass man noch so viele Anträge beschließen kann, doch es letztendlich um ihre Umsetzung gehen wird. Denn Politik ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Überwindung einer Gesellschaft schreiender Widersprüche. Unser Ziel ist die Schaffung von breiten Bündnissen zur Veränderung dieser Gesellschaft.

Unsere Rolle dabei ist die Unterstützung und Vermittlung. Als parteinaher Jugendverband nehmen wir eine Scharnierfunktion zwischen dem Parlament und sozialen Bewegungen ein. Gemeinsam wollen wir die Vision einer anderen Gesellschaft entwerfen und dafür kämpfen, uns dieser Schritt für Schritt zu nähern. Ob es der Aufbau unseres Pfingstcamps ist, ein Workshopwochenende zu themen, die euch gerade in der Basisgruppe beschäftigen, eine feministische Soliparty, Sticker gegen Rassist*innen oder ein Kickerturnier im Wahlkampf. Macht mit, entwickelt eigene Ideen und vernetzt Euch untereinander!

 

[1] http://www.taz.de/Protest-gegen-Nazis-in-Berlin/!5386217/

[2] https://nationalismusistkeinealternative.net/kein-raum-der-afd-demo-in-weissensee/

[3] http://lowerclassmag.com/2017/02/von-der-kriegskunst-des-kapitals/